1x komplett auf links, bitte! – blog 008
Die Nacht nach meiner zweiten OP war erstaunlicherweise ruhig. Ich konnte gut schlafen. Das lag wahrscheinlich auch an den vielen Medikamenten, die ich noch im Körper hatte. Hinzu kam, dass mein Körper und auch mein Geist durch die Geschehnisse der letzten zwei Tage extrem erschöpft war. Das Wochenende würde wahrscheinlich auch sehr ruhig werden. Was passiert schon an einem Samstag und Sonntag großartig in einem Krankenhaus? Und genau davor hatte ich Angst.
Denn zuviel Ruhe und wenig Ablenkung würden bedeuten, dass ich mich in zermürbenden Denkschleifen und Horrorszenarien wiederfinden würde. Was passiert als nächstes? Werde ich je wieder gesund? Verliere ich meinen Job? Viele, viele Fragen und keine Antworten.
Am Vormittag wurde mein Zimmernachbar entlassen. Einerseits dachte ich: „na toll, der darf nach Hause und ich nicht. Und jetzt bin ich ganz alleine hier.“ Andererseits war ich froh, dass ich das Zimmer nun für mich alleine hatte. Das bedeutete, laut Musik hören oder TV schauen zu können, ohne Rücksicht nehmen zu müssen. Zu meiner großen Freude sollte ich aber nicht lange alleine bleiben. Ich bekomme es nun nicht mehr auf den Tag genau zusammen. Aber ich weiß, dass mich meine besten Freunde, mein Chef Holger, meine Lieblingskollegin und natürlich auch meine Eltern besuchten. Und meine Verlobte war ja ohnehin Dauergast.
Ich startete den Tag mit dem Ganz zum Frühstücks-Buffett. Das Buffett war nichts Besonderes, aber für ein Krankenhaus absolut ok. Frische Brötchen, unterschiedlicher Aufschnitt, Marmeladen, Obst, Säfte, Kaffee, etc. Ich wurde jedenfalls satt.
Auf dem Zimmer bekam ich dann von meiner Stationsschwester einen „Fahrplan“ für die kommenden Tage bzw. für die weiteren Untersuchungen. Mehr konnte sie mir zu den Untersuchungen nicht sagen und verwies auf den diensthabenden Arzt für das Wochenende. Der kam wenig später und erklärte mir, dass meine Krebsart und Tumorort Anlass zur leichten Sorge gäben, dass Tumorzellen über das Lymphsystem möglicherweise schon gestreut sein könnten und man nun auf Nummer sicher gehen will.
„Wir müssen Sie einmal komplett auf Links drehen.“ so die Worte des Arztes. Na toll, ich hatte mich gerade mit dem Gedanken angefreundet, dass ja nicht alles so schlimm sein könne und dann kommt der Typ mit „wir haben Grund zur Annahme…. Bla bla bla“.
Für mich bedeutete das ab Montag: Röntgen, MRT, CT, Ultraschall, Labor, etc. Man versprach mir, mich schnellstmöglich über die jeweiligen Befunde aufzuklären.
Das Wochenende verging wie im Flug. Besonders über den Besuch meiner damaligen Kollegin hatte ich mich sehr gefreut. Ich saß gerade beim Abendbrot am Samstagabend, als sie so in den Buffett-Raum schlenderte, als würde sie einen Spaziergang durch den Park machen. Sie ist tatsächlich den weiten Weg von Mülheim an der Ruhr nach Neuss gekommen, um mich aufzubauen. Wenn man solche Kollegen hat, braucht man keine weiteren Freunde mehr.
Die Nacht von Sonntag auf Montag war dann wieder nicht so dolle. Die Angst, dass der Krebs über das Lymphsystem gestreut haben könnte, war einfach riesengroß. Glücklicherweise war die erste Untersuchung – das MRT – am Montag schon recht früh und auch Röntgen war bereits für den Mittag angesetzt. Noch vor dem MRT beschloss ich, meinem Chef Matthias eine Email zu formulieren, um meine Kollegen und Mitarbeiter über meine Situation zu informieren. Die Mail schickte ich ab und machte dann das Handy aus.
Das MRT zeigte keine Befunde. Ich war fürs Erste erleichtert. Dann machte ich das Handy wieder an und fiel vom Glauben ab. Mein Chef hatte die Email anscheinend direkt und ohne weiteren Kommentar an alle weitergeleitet. In dieser kurzen Zeit meiner MRT-Abwesenheit hatte ich von fast allen Kollegen und Kolleginnen unheimlich rührende und mitfühlende Worte und Aufmunterungen. Puuh, das tat gut.
Auch das große Röntgenbild vom Thorax ergab keine besonderen Befunde. YES! Hürde Nr. 2 genommen. Jetzt ging es mir zunehmend besser. Als ich wieder auf dem Zimmer war, besuchte mich dann Matthias, mein Chef, dem ich die Email geschickt hatte. In erster Linie sprachen wir über meine Situation. Er versicherte mir, dass ich mir keinerlei Sorgen um meinen Job machen müsse. Und ich könne auf die Unterstützund der gesamten Belegschaft zählen. Das tat gut. Wir sprachen noch über ein paar Projekte, und wie wir meinen Kunden gegenüber kommunizieren wollen. Er sagte mir, dass er das alles klären würde und ich mich um nichts kümmern müsse.
Der Dienstag war Tag Nr. 2 mit den Untersuchungen Nr. 3 CT + Nr. 4 (Ultraschall). Beide Untersuchungen verliefen wie schon am Vortag ohne Befund. Zwischenzeitlich hatte ich natürlich auch mit Prof. N. gesprochen, der mich zweimal operiert hatte. Für den Mittwoch kündigte er mir eine große Runder aller beteiligten Ärzte in einer Tumorkonferenz an, in welcher die weitere Vorgehensweise und der Behandlungs- bzw. Genesungsplan besprochen werden würde.
Da war sie wieder, die Angst. „Tumorkonferenz“ ist aber auch wirklich ein beschissenes Wort.